Studie zu Fracking in Europa: Unrentabel und gefährlich

Die EU-Energieunion, in deren Rahmen auch zahlreiche Infrastrukturen für den Import von Erdgas subventioniert werden, könnte zukünftig zu mehr Importen von Fracking-Gas aus den USA führen, meint Andrej Hunko. [© Erick Gustafson (CC BY-NC 2.0)]

Verseuchung des Trinkwassers, enorme Umweltzerstörung und die Umwandlung ganzer Landstriche in Industrielandschaften für maximal zehn Jahre Energie – das prognostiziert eine neue Studie zum Fracking. Energieexperten fordern eine völlige Abwendung von der umstrittenen Methode. Die Bundesregierung hat indes andere Pläne.

Die durch Schiefergas-Förderung in Deutschland und Europa zu erwartenden Umweltschäden stehen in keinem Verhältnis zur Rohstoffgewinnung dieser Bohrmethode. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die die NGO Energy Watch Group veröffentlicht hat.

„Wir dürfen die Bedingungen in Deutschland nicht mit denen in den USA vergleichen“, mahnt der Autor der Studie, Werner Zittel. Deutschland sei unter anderem viel dichter besiedelt, das Risiko für Mensch und Umwelt nahe der Fördergebiete allein darum höher.

Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu den Auswirkungen des Fracking auf Mensch und Umwelt sind bislang noch selten. Doch in den USA, wo Fracking schon weit verbreitet ist, sind schwere Umweltschäden zu beobachten. Einige wissenschaftliche Untersuchungen belegen zudem, dass Fracking die Erdbeben-Gefahr in den USA erhöht hat. Und die Universität Innsbruck fand kürzlich heraus, dass Fracking die Luft mit gesundheits- und klimaschädlichen Gasen belastet.

Nicht rentabel

Die Risiken für Mensch und Natur sind aber nicht die einzigen wichtigen Argumente gegen die umstrittene Technik. Auch ihre Rentabilität sei zu bezweifeln, so der Grüne Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watchgroup und Autor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2000.

„Anders als in den USA, das bislang als einziges Land Fracking in kommerziell relevantem Maßstab durchführt, ist in Europa mit der Methode kein ausreichender Fördererfolg zu erreichen“, sagt Fell.

In Deutschland fehlten zum einen die infrastrukturellen Voraussetzungen für das Fracken. Die Umwandlung der betroffenen Gebiete in Industrielandschaften, die Instandhaltung der Straßen sowie Lagerung und Transport des nötigen Spezialsandes, all das würde Fell zufolge zudem unverhältnismäßig viel Geld verschlingen für eine Methode, die nach bisherigen Schätzungen in Europa lediglich zehn Jahre Energie liefern kann. Und die in rasender Geschwindigkeit immer wieder neue Gebiete erschließen muss. Fell verweist hier auf die Erfahrungen in den USA. Sie würden zeigen, dass die Fördermenge in der Regel schon nach einem Jahr um 50 Prozent sinkt.

Sinkende Umweltstandards?

Trotz aller von zahlreichen Seiten geäußerten Bedenken hatte die Bundesregierung Anfang Februar einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Option eröffnet, die umstrittene Methode doch zu nutzen. Erlaubt werden soll Fracking, so die neue Regelung der von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, zu wissenschaftlichen Zwecken tiefer als 3.000 Meter unter der Erde – wenn die zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden dies erlauben. Sind Probebohrungen erfolgreich, könnte unter strengsten Auflagen und nach Zustimmung einer unabhängigen Sachverständigenkommission in Einzelfällen eine Zulassung für den kommerziellen Einsatz der Fracking-Technologie erteilt werden.

Fracking-Kritiker befürchten nun, dass in Deutchland ähnliches wie einige Jahre zuvor in den USA geschehen könnte. Dort hatte der damalige Präsident George W. Bush 2005 die Umweltgesetze gelockert, um das Fracken von Erdgas und Erdöl zu ermöglichen. Die Gasförderung stieg in der Folge zwar steil an. Doch der Glaube, dies könne über Jahrzehnte für steil steigende Rendite sorgen, bewahrheitete sich auch in en USA nicht. Die dortige Fracking-Industrie leidet seit einiger Zeit unter schmerzhaften Verlusten.

Fracking sitzt in doppelter Falle

Energie-Experte Fell erklärt das mit einer „doppelten Falle“, in der die fossile Energiewirtschaft sitze: „Der Erdgas-Handel in den USA ist schon seit 2009 rückläufig“, sagt Fell. Schuld sei der Rückgang der Öl- und Gaspreise. Die Folge seien Insolvenzen in der Fracking-Industrie, die die aufwendigen und kostspieligen Bohrungen zum Großteil aus Krediten finanziert, die sie nun nicht zurückzahlen könne. Dies sei eine der Fallen. Das andere Risiko ergebe sich aus der gegensätzlichen Situation mit steigenden Energiepreisen als Folge knapperer Rohstoffe. In diesem Fall lohne sich das Fracking zwar eher. Gleichzeitig werde in solchen Phasen aber auch mehr in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert – und damit wachse die Konkurrenz zur konventionellen Energieförderung.

Trotz aller ökologischen und wirtschaftlichen Gefahren sind die Reihen der Unterstützer von konventionellen Energiegewinnungs-Methoden noch stark. Länder wie Deutschland, Großbritannien und Polen unterstützen das Fracken aktiv. Und auch der EU-Kommissar für die Energieunion, Maroš Šef?ovi?, setzt noch strark auf die konventionellen Energien. Ein Fehler, wie Energie-Experte Fell mahnt.

Welt ist schlecht vorbereitet auf zunehmende Knappheit fossiler Energien

„Es ist völlig unverständlich, dass immer noch zu Lasten vom Umweltschutz und gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung eine Regierungspolitik für das Fracking von Brüssel über London, bis nach Berlin dominiert und damit gleichzeitig den Ausbau der Erneuerbaren Energien immer weiter unter Druck setzt“, so Fell. Die Weltgemeinschaft sei noch viel zu schlecht auf die abnehmende Verfügbarkeit konventioneller Rohstoffe vorbereitet.

Die häufigsten Argumente der Fracking-Befürworter – der drohende Verlust von Arbeitsplätzen in der Gas-Inustrie und die Abhängigkeit Europas von russischer Energie – will auch Andy Gheorghiu, Fracking-Aktivist und Energie-Experte, nicht gelten lassen. „Sechs bis sieben Prozent der Primärenergie in Deutschland werden aktuell aus Russland importiert, aber schon jetzt beträgt der Anteil der Erneuerbaren Energien zehn bis zwölf Prozent“, sagt er. Darum gelte es dringend, den Bereich der Erneuerbaren weiter auszubauen und so Arbeitsplätze und mehr Energieunabhängigkeit zu schaffen.

„Obwohl die ganze Welt von Klimaschutz spricht, ist er nicht gekommen, weil noch immer vorrangig fossile Energieträger genutzt werden“, so Gheorghiu. Dabei habe sich die EU das Ziel gesetzt, in den kommenden 35 Jahren die Nutzung fossiler Energieträger um mindestens 80 Prozent zu reduzieren.

Profiteure sind vor allem große Energiekonzerne

Hubertus Zdebel, Umweltexperte von der Fraktion Die Linke im Bundestag, nahm die aktuelle Studie zum Anlass, die Fracking-Politik der Bundesregierung erneut zu kritisieren. „Die einzigen wirklichen kurzfristigen Profiteure der Gewinnung von dieser Art Erdgas sind, nach der gegenwärtigen Vergabepraxis der Lizenzgebiete in Deutschland, die großen Energiekonzerne wie ExxonMobil, Wintershall und GdF-Suez, die einen neuen Wettlauf um Schiefergas ausgerufen und bereits ganze Regionen unter sich aufgeteilt haben.“

Ein öffentliches wirtschaftliches und energiepolitisches Interesse an der Gewinnung von unkonventionellen Gasvorkommen in Deutschland sei hingegen nicht zu erkennen. „Statt die Gasförderung weiter zu intensivieren, brauchen wir nachhaltige Lösungen für unseren Energiebedarf“, so Zdebel.

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